Caesar - De Bello Civili - liber primus - Kapitel 1-72 - Deutsche Übersetzung


Kapitel 1-72



[7] Caesars Ansprache an seine Soldaten
[8] Pompeius Botschaft
[9] Caesars Friedensangebot an Pompeius
[10] Antwort des Pompeius
[11] Reaktion Caesars auf die Bedingungen von Pompeius
[22] Lentulus Spinther
[23] Domitius schließt sich Caesar an
[29] Situationsanalyse
[30] Caesars Entschluss nach Spanien aufzubrechen
[32] Rede vor dem Senat
[71] Caesar im Zwiespalt mit seinen Generälen
[72] Die Taktik des Feldherrn



7. Caesars Ansprache an seine Soldaten


[7] Quibus rebus cognitis Caesar apud milites contionatur. omnium temporum iniurias inimicorum in se commemorat; a quibus deductum ac depravatum Pompeium queritur invidia atque obtrectatione laudis suae, cuius ipse honori et dignitati semper faverit adiutorque fuerit. novum in re publica introductum exemplum queritur, ut tribunicia intercessio armis votaretur atque opprimeretur, quae superioribus annis armis esset restitute; Sullam nudata omnibus rebus tribunicia potestate tamen intercessionem liberam reliquisse. Pompeium, qui amissa restituisse videatur bona, etiam, quae ante habuerint, ademisse. quotienscumque sit decretum, darent operam magistratus, nequid res publica detrimenti caperet - qua voce et quo senatus consulto populus Romanus ad arma sit vocatus - factum in perniciosis legibus, in vi tribunicia, in secessione populi, templis locisque editioribus occupatis; atque haec superioris aetatis exempla expiata Saturnini atque Gracchorum casibus docet. quarum rerum illo tempore nihil factum, ne cogitatum quidem. nulla lex promulgata, non cum populo agi coeptum, nulla secessio facta. hortatur, cuius imperatoris ductu VIIII annis rem publicam felicissime gesserint plurimaque proelia secunda fecerint, omnem Galliam Germaniamque pacaverint, ut eius existimationem dignitatemque ab inimicis defendant. Conclamant legionis XIII, quae aderat, milites - hanc enim initio tumultus evocaverat, reliquae nondum convenerant - sese paratos esse imperatoris sui tribunorumque plebis iniurias defendere.


[7] Nachdem diese Dinge in Erfahrung gebracht worden waren, hielt Caesar eine Ansprache an seine Soldaten. Er legte aller Zeiten Unrechte der Feinde gegen seine Person dar; er beklagte, Pompeius sei aus Neid und aufgrund der Schmälerung seines Ruhmes von diesen verführt und verdorben worden, obgleich er selbst stets dessen Ehre und Ansehen begünstigt und gefördert habe. Caesar beklagte, dass im Staat eine neue Verfahrensweise eingeführt worden sei, nämlich dass das tribunizische Recht auf Interzession durch Waffen verhindert und unterdrückt würde, das in den letzten Jahren durch Waffen wiederhergestellt worden sei; Sulla habe, nachdem er die tribunizische Amtsgewalt von Allem entblößt habe, doch zumindest das Recht auf Interzession uneingeschränkt bestehen lassen. Pompeius, der ihre verlorenen Privilegien wiederhergestellt zu haben scheine, habe in Wirklichkeit auch das genommen, was sie vorher besessen hätten. Wie oft auch beschlossen worden sei, die Magistrate hätten darauf zu sehen, dass der Staat nicht irgendetwas an Schaden nehme – durch diesen Ausspruch und Beschluss des Senats sei das römische Volk zu den Waffen gerufen worden – sei es nur bei gefährlichen Gesetzen, bei tribunizischer Gewalt, bei Sezession des Volkes und bei Besetzung von Tempeln und höheren Orten geschehen; und er lehrte sie, dass diese Beispiele der früheren Zeit durch den Fall des Saturninus und der Gracchen gesühnt worden seien. Nun sei aber nichts von diesen Dingen gemacht, ja nicht einmal gedacht worden. Kein Gesetz sei vorgebracht worden, man habe nicht begonnen mit dem Volk zu verhandeln und keine Sezession sei eingetreten. Er ermutigte seine Soldaten, das Ansehen und die Ehre desjenigen Feldherren vor den Feinden zu verteidigen, unter dessen Kommando sie neun Jahre lang für das Gemeinwesen äußerst erfolgreich gekämpft, sehr viele glückliche Schlachten geschlagen und ganz Gallien und Germanien befriedet hätten. Die Soldaten der anwesenden 13. Legion – denn er hatte diese zu Beginn des Aufruhrs zu sich gerufen, die übrigen waren noch nicht eingetroffen – riefen aus, sie seien bereit, ihren Feldherrn und die Volkstribunen vor Unrecht zu schützen.


8. Pompeius Botschaft


[8] Cognita militum voluntate Ariminum cum ea legione proficiscitur ibique tribunos plebis, qui ad eum profugerant, convenit; reliquas legiones ex hibernis evocat et subsequi iubet. Eo L. Caesar adulescens venit, cuius pater Caesaris erat legatus. Is reliquo sermone confecto, cuius rei causa venerat, habere se a Pompeio ad eum privati officii mandata demonstrat: velle Pompeium se Caesari purgatum, ne ea, quae rei publicae causa egerit, in suam contumeliam vertat. Semper se rei publicae commoda privatis necessitudinibus habuisse potiora. Caesarem quoque pro sua dignitate debere et studium et iracundiam suam rei publicae dimittere neque adeo graviter irasci inimicis, ut, cum illis nocere se speret, rei publicae noceat. Pauca eiusdem generis addit cum excusatione Pompei coniuncta. Eadem fere atque eisdem verbis praetor Roscius agit cum Caesare sibique Pompeium commemorasse demonstrat.



[8] Den Willen seiner Soldaten erkannt, zog er mit seiner Legion nach Ariminum weiter und traf dort die Volkstribunen, die zu ihm geflohen waren; die übrigen Legionen rief er aus ihren Winterlagern zu sich und befahl ihnen, unmittelbar nachzufolgen. Dorthin kam der junge Lucius Caesar, dessen Vater Unterfeldherr Caesars war. Nach Beendigung des übrigen Gesprächs, weswegen er gekommen war, erklärte dieser, dass er private Weisungen von Pompeius an ihn habe: Pompeius wünsche, bei Caesar als entschuldigt zu gelten, er [Caesar] solle das, was er um den Staates willen getan habe, nicht zu seiner Schmach werden lassen. Er [Pompeius] hätte das Wohl des Staates immer für wichtiger als private Freundschaften gehalten. Auch Caesar solle zu seiner eigenen Ehre sowohl seine Bestrebung als auch seinen Zorn dem Gemeinwesen zuliebe aufgeben und seinen Feinden nicht so stark zürnen, dass er noch – in Hoffnung jenen zu schaden – dem Staat schade. Weniges derselben Art fügte er, verbunden mit der Entschuldigung des Pompeius, hinzu. Über fast dasselbe und mit gleichem Wortlaut verhandelte der Prätor Roscius mit Caesar und erklärte, Pompeius habe ihm das so dargelegt.


9. Caesars Friedensangebot an Pompeius


[9] Quae res etsi nihil ad levandas iniurias pertinere videbantur, tamen idoneos nactus homines, per quos ea, quae vellet, ad eum perferrentur, petit ab utroque, quoniam Pompei mandata ad se detulerint, ne graventur sua quoque ad eum postulata deferre, si parvo labore magnas controversias tollere atque omnem Italiam metu liberare possint. Sibi semper primam rei publicae fuisse dignitatem vitaque potiorem. Doluisse se, quod populi Romani beneficium sibi per contumeliam ab inimicis extorqueretur, ereptoque semenstri imperio in urbem retraheretur, cuius absentis rationem haberi proximis comitiis populus iussisset. Tamen hanc iacturam honoris sui rei publicae causa aequo animo tulisse; cum litteras ad senatum miserit, ut omnes ab exercitibus discederent, ne id quidem impetravisse. Tota Italia delectus haberi, retineri legiones II, quae ab se simulatione Parthici belli sint abductae, civitatem esse in armis. Quonam haec omnia nisi ad suam perniciem pertinere? Sed tamen ad omnia se descendere paratum atque omnia pati rei publicae causa. Proficiscatur Pompeius in suas provincias, ipsi exercitus dimittant, discedant in Italia omnes ab armis, metus e civitate tollatur, libera comitia atque omnis res publica senatui populoque Romano permittatur. Haec quo facilius certisque condicionibus fiant et iureiurando sanciantur, aut ipse propius accedat aut se patiatur accedere: fore, uti per colloquia omnes controversiae componantur.


[9] Auch wenn diese Dinge nicht zur Milderung seiner Kränkung beizutragen schienen, gelangte er doch zumindest an Männer, die dazu geeignet waren, seinen Willen an diesen [Pompeius] zu vermitteln. Er bat beide, dass sie, weil sie ja Pompeius Weisungen an ihn überbracht hätten, keine Anstalten machen sollten, auch seine an ihn zu überbringen, wenn sie durch geringe Mühe große Streitigkeiten beseitigen und ganz Italien von Furcht befreien könnten. Die Würde des Gemeinwesens sei für ihn immer an erster Stelle und wichtiger als sein Leben gewesen. Es habe ihn geschmerzt, dass ihm die Gunst des römischen Volkes durch Verunglimpfung seitens der Feinde abgetrotzt und dass er, nachdem ihm die sechsmonatige Herrschaft entrissen, nach Rom zurückgeholt worden sei, obgleich das Volk befohlen habe, auf ihn bei den nächsten Komitien trotz seiner Abwesenheit Rücksicht zu nehmen. Doch mit Gleichmut habe er diesen Ehreverlust um des Staates willen hingenommen; nachdem er einen Brief an den Senat geschickt habe, dass alle von ihren Heeren zurücktreten sollten, habe er nicht einmal dies erlangt. In ganz Italien fänden Aushebungen statt, die zwei Legionen, die unter dem Vorwand des parthischen Krieges von ihm genommen worden seien, würden zurückgehalten und das Volk sei in Waffen. Wozu führte denn all dies außer zu seinem Verderben? Aber dennoch sei er um des Staates willen bereit, sich auf alles einzulassen und alles zu ertragen. Pompeius soll in seine Provinzen aufbrechen, sie selbst [Pompeius und Caesar] sollen ihre Heere entlassen, alle Menschen in Italien sich von ihren Waffen trennen, die Furcht aus der Stadt entfernt werden, freie Wahlen zugelassen und der ganze Staat dem Senat und dem römischen Volk verantwortet werden. Damit dies desto leichter und bei sicheren Bedingungen geschehe und durch einen Schwur unverbrüchlich festgesetzt werde, solle entweder er selbst [Pompeius] näher treten oder man solle es ihm [Caesar] gestatten: Durch die Unterredungen würden alle Streitpunkte beigelegt werden.


10. Antwort des Pompeius


[10] Acceptis mandatis Roscius cum L. Caesare Capuam pervenit ibique consules Pompeiumque invenit; postulata Caesaris renuntiat. Illi deliberata re respondent scriptaque ad eum mandata per eos remittent, quorum haec erat summa: Caesar in Galliam reverteretur, Arimino excederet, exercitus dimitteret; quae si fecisset, Pompeium in Hispanias iturum. Interea, quoad fides esset data Caesarem facturum, quae polliceretur, non intermissuros consules Pompeiumque delectus.



[10] Nachdem er diese Weisungen erhalten hatte, gelangte Roscius mit Lucius Caesar nach Capua und traf dort die Konsuln und Pompeius an; er trug die Forderungen Caesars vor. Nach reiflicher Überlegung antworteten jene und sendeten durch diese ihre geschriebenen Weisungen zurück an Caesar, deren Hauptpunkt dies war: Caesar solle nach Gallien zurückkehren, aus Ariminum abrücken und sein Heer entlassen; wenn er dies gemacht habe, werde Pompeius nach Spanien gehen. Unterdessen, bis bestätigt worden sei, dass Caesar seine Versprechen ausführen werde, würden die Konsuln und Pompeius ihre Aushebungen nicht unterlassen.


11. Reaktion Caesars auf die Bedingungen von Pompeius


[11] Erat iniqua condicio postulare, ut Caesar Arimino excederet atque in provinciam reverteretur, ipsum et provincias et legiones alienas tenere; exercitum Caesaris velle dimitti, delectus habere; polliceri se in provinciam iturum neque, ante quem diem iturus sit, definire, ut, si peracto consulatu Caesaris non profectus esset, nulla tamen mendacii religione obstrictus videretur. Tempus vero colloquio non dare neque accessurum polliceri magnam pacis desperationem afferebat. Itaque ab Arimino M. Antonium cum cohortibus V Arretium mittit; ipse Arimini cum duabus subsistit ibique delectum habere instituit; Pisaurum, Fanum, Anconam singulis cohortibus occupat.


[11] Es war eine ungerechte Bedingung, zu fordern, dass Caesar aus Ariminum abrücken und in die Provinz zurückkehren solle, dass er selbst aber sowohl Provinzen als auch Legionen, die ihm nicht gehörten, behalte; dass er wolle, dass Caesars Heer entlassen werde, er jedoch Aushebungen abhalte; dass er verspreche, in seine Provinz zu gehen aber nicht angebe, binnen welcher Zeit er gehen werde, sodass er, wenn er nach Beendigung des Konsulats Caesars nicht abmarschiert sein werde, sein Gewissen scheinbar dennoch nicht mit einer Lüge belasten werde. Dass er aber für eine Unterredung keine Zeit gewährte und nicht zusagte, herzukommen, machte die Hoffnung auf Frieden äußerst unwahrscheinlich. Deshalb sendete er Marcus Antonius mit fünf Kohorten von Ariminum nach Arretium; er selbst blieb mit zweien in Ariminum zurück und beschloss, dort Truppen auszuheben; er besetzte Pisaurum, Fanum und Ancona mit je einer Kohorte.


22. Lentulus Spinther


[22] Quarta vigilia circiter Lentulus Spinther de muro cum vigiliis custodibusque nostris colloquitur; velle, si sibi fiat potestas, Caesarem convenire. Facta potestate ex oppido mittitur, neque ab eo prius Domitiani milites discedunt, quam in conspectum Caesaris deducatur. Cum eo de salute sua agit, orat atque obsecrat, ut sibi parcat, veteremque amicitiam commemorat Caesarisque in se beneficia exponit; quae erant maxima: quod per eum in collegium pontificum venerat, quod provinciam Hispaniam ex praetura habuerat, quod in petitione consulatus erat sublevatus. Cuius orationem Caesar interpellat: se non maleficii causa ex provincia egressum, sed uti se a contumeliis inimicorum defenderet, ut tribunos plebis in ea re ex civitate expulsos in suam dignitatem restitueret, ut se et populum Romanum factione paucorum oppressum in libertatem vindicaret. Cuius oratione confirmatus Lentulus, ut in oppidum reverti liceat, petit: quod de sua salute impetraverit, fore etiam reliquis ad suam spem solacio; adeo esse perterritos nonnullos, ut suae vitae durius consulere cogantur. Facta potestate discedit.


[22] Ungefähr zur vierten Nachtwache sprach Lentulus Spinther mit unseren Wachen und Wächtern; er wolle, wenn ihm die Möglichkeit eröffnet werde, Caesar antreffen. Nachdem ihm das gestattet worden war, wurde er aus der Stadt geleitet, und die Soldaten Domitans gingen nicht von ihm, bevor er in Caesars Blickfeld gebracht wurde. Er verhandelte mit Caesar um sein Leben, flehte inständigst, dass er ihn verschone, und erinnerte an ihre alte Freundschaft und führte die Wohlaten Caesars gegenüber ihm an; diese waren äußerst groß: nämlich dass er durch ihn ins Priesteramt gekommen war, dass er nach seiner Prätur die Provinz Spanien verwaltete, dass er bei der Bewerbung um das Konsulat unterstützt worden war. Caesar unterbrach dessen Rede: er sei nicht um Schaden anzurichten aus der Provinz herausgegangen, sondern um sich vor den entwürdigenden Taten der Feinde zu schützen, um die Volkstribunen, die sich genötigt gesehen hatten, bei dieser Lage die Stadt zu verlassen, wieder in ihre Stellung einzusetzen, und um sich und das römische Volk, das von der Partei weniger Männer unterdrückt, in die Freiheit zu führen. Durch dessen Rede ermutigt, bat Lentulus, in die Stadt zurückkehren zu dürfen: Dass er Sicherheit erlangt habe, werde auch den Übrigen zum Trost für ihre eigene Hoffnung gereichen; einige seien so massiv eingeschüchtert, dass sie sich gezwungen sähen, Hand an sich zu legen. Nach Erteilung der Erlaubnis ging er weg.


23. Domitius schließt sich Caesar an


[23] Caesar, ubi luxit, omnes senatores senatorumque liberos, tribunos militum equitesque Romanos ad se produci iubet. Erant quinquaginta; ordinis senatorii L. Domitius, P. Lentulus Spinther, L. Caecilius Rufus, Sex. Quintilius Varus quaestor, L. Rubrius; praeterea filius Domiti aliique complures adulescentes et magnus numerus equitum Romanorum et decurionum, quos ex municipiis Domitius evocaverat. Hos omnes productos a contumeliis militum conviciisque prohibet; pauca apud eos loquitur, [queritur] quod sibi a parte eorum gratia relata non sit pro suis in eos maximis beneficiis. Dimittit omnes incolumes. HS LX, quod advexerat Domitius atque in publico deposuerat, allatum ad se ab IIII viris Corfiniensibus Domitio reddit, ne continentior in vita hominum quam in pecunia fuisse videatur, etsi eam pecuniam publicam esse constabat datamque a Pompeio in stipendium. Milites Domitianos sacramentum apud se dicere iubet atque eo die castra movet iustumque iter conficit VII omnino dies ad Corfinium commoratus, et per fines Marrucinorum, Frentranorum, Larinatium in Apuliam pervenit.



[23] Sobald es Tag war, befahl Caesar, dass ihm alle Senatoren und Senatorenkinder, die Volkstribunen und die römischen Ritter vorgeführt werden sollen. Es waren 50; vom Range eines Senators waren Lucius Domitius, Publius Lentulus Spinther, Lucius Caecilius Rufus, der Quästor Sextus Quintilius Varus und Lucius Rubrius. Außerdem der Sohn des Domitius und einige andere junge Männer und eine große Anzahl vom römischen Reitern und Dekurionen, die Domitius aus den Munizipien hergerufen hatte. Nachdem ihm all diese vorgeführt worden waren, bewahrte er sie vor Schmähungen und Sticheleien der Soldaten; er sprach weniges zu ihnen, beklagte, dass ihm von einem Teil von ihnen für seine außerordentlich großen Wohltaten gegen sie kein Dank entgegengebracht worden sei. Er sandte alle unversehrt zurück. Die sechs Millionen Sesterzen, die Domitius herbeigebracht und in die Stadtkasse abgeliefert hatte, gab er, nachdem sie von den Quattuorviri Korfinums zu ihm gebracht worden waren, dem Domitius zurück, um genauso besonnen in Bezug auf Geldangelegenheiten wie auf das Leben der Menschen zu erscheinen, auch wenn es feststand, dass dies Staatsgelder waren und von Pompeius zur Entlohnung der Soldaten gegeben worden waren. Er befahl den domitianischen Soldaten ihm einen Schwur abzuleisten und brach an diesem Tag das Lager ab und legte einen tüchtigen Marsch hin und gelangte, nachdem er sich sieben Tage lang ausschließlich bei Korfinum aufgehalten hatte, durch das Gebiet der Marrukiner, der Frentraner und der Larinaten nach Apulien.


29. Situationsanalyse


[29] Caesar etsi ad spem conficiendi negotii maxime probabat coactis navibus mare transire et Pompeium sequi, priusquam ille sese transmarinis auxiliis confirmaret, tamen eius rei moram temporisque longinquitatem timebat, quod omnibus coactis navibus Pompeius praesentem facultatem insequendi sui ademerat. Relinquebatur, ut ex longinquioribus regionibus Galliae Picenique et a freto naves essent exspectandae. Id propter anni tempus longum atque impeditum videbatur. Interea veterem exercitum, duas Hispanias confirmari, quarum erat altera maximis beneficiis Pompeio devincta, auxilia, equitatum parari, Galliam Italiamque temptari se absente nolebat.


[29] Auch wenn Caesar es – in der Hoffnung die Angelegenheit zu Ende zu bringen – für das zweckdienlichste hielt, nachdem er die Schiffe zusammengezogen hatte, das Meer zu überqueren und Pompeius zu verfolgen, bevor jener sich durch über das Meer gekommene Hilfstruppen verstärken könnte, fürchtete er dennoch den Aufschub dieser Sache und die Länge der Zeit, weil Pompeius ihm durch die Versammlung all seiner Schiffe die Möglichkeit genommen hatte, ihn derzeit zu verfolgen. Nur noch die Hoffnung auf Schiffe aus entfernteren Regionen Galliens und Pizenums und der Meerenge Siziliens blieb übrig. Wegen der Jahreszeit schien dies aber langwierig und schwerfällig. Dass in der Zwischenzeit Pompeius‘ altes Heer und die beiden spanischen Provinzen, von denen die eine dem Pompeius durch größte Wohltaten völlig ergeben war, gestärkt würden, dass Hilfe und Reiterei beschafft, dass Gallien und Italien in seiner Abwesenheit angegriffen würden, wollte er nicht.


30. Caesars Entschluss nach Spanien aufzubrechen


[30] Itaque in praesentia Pompei sequendi rationem omittit, in Hispaniam proficisci constituit: duumviris municipiorum omnium imperat, ut naves conquirant Brundisiumque deducendas curent. Mittit in Sardiniam cum legione una Valerium legatum, in Siciliam Curionem pro praetore cum legionibus duabus; eundem, cum Siciliam recepisset, protinus in Africam traducere exercitum iubet. Sardiniam obtinebat M. Cotta, Siciliam M. Cato; Africam sorte Tubero obtinere debebat. Caralitani, simul ad se Valerium mitti audierunt, nondum profecto ex Italia sua sponte Cottam ex oppido eiciunt. Ille perterritus, quod omnem provinciam consentire intellegebat, ex Sardinia in Africam profugit. Cato in Sicilia naves longas veteres reficiebat, novas civitatibus imperabat. Haec magno studio agebat. In Lucanis Brutiisque per legatos suos civium Romanorum delectus habebat, equitum peditumque certum numerum a civitatibus Siciliae exigebat. Quibus rebus paene perfectis adventu Curionis cognito queritur in contione sese proiectum ac proditum a Cn. Pompeio, qui omnibus rebus imparatissimis non necessarium bellum suscepisset et ab se reliquisque in senatu interrogatus omnia sibi esse ad bellum apta ac parata confirmavisset. Haec in contione questus ex provincia fugit.



[30] Daher gab er den Plan auf, Pompeius in der gegenwärtigen Zeit zu verfolgen und beschloss nach Spanien aufzubrechen: Er befahl den Duovirn aller Munizipien, Schiffe aufzutreiben und dafür zu sorgen, dass sie nach Brundisium geführt werden. Den Legat Valerius schickte er mit einer Legion nach Sardinien, den Proprätor Curio mit zwei Legionen nach Sizilien; denselben befehligte er, sofort, nachdem er Sizilien erobert hatte, sein Heer nach Afrika überzusetzen. Marcus Cotta hatte Sardinien, Marcus Cato Sizilien inne; durchs Los musste Tubero Afrika leiten. Sobald die Karalitaner gehört hatten, dass Valerius zu ihnen geschickt werde, verstießen sie Cotta von selbst aus der Stadt, noch bevor er [Valerius] von Italien aufgebrochen war. Äußerst erschrocken, weil er verstand, dass die ganze Provinz gemeinschaftliche Sache [gegen ihn] machte, floh er von Sardinien nach Afrika. Cato stellte auf Sizilien alte Kriegsschiffe wieder her, befahl den Bürgern neue zu bauen. Er machte das mit großem Eifer. Bei den Lukanern und Bruttiern hielt er vermittelst seiner Legaten Rekrutierungen römischer Bürger ab, forderte von den Gemeinden Siziliens eine gewisse Zahl an Reitern und Fußsoldaten. Nachdem diese Angelegenheiten so gut wie erledigt und die Ankunft des Curio bemerkt worden war, beschwerte er sich auf einer Versammlung, dass er von Gnaeus Pompeius in Gefahr gestürzt und verraten worden sei, weil dieser ohne jegliche Vorbereitung einen unnotwendigen Krieg angefangen habe und, nachdem er von ihm und anderen im Senat gefragt worden sei, ihnen bestätigt habe, dass alles für den Krieg gerüstet und bereit sei. Nachdem er sich darüber auf der Versammlung beschwert hatte, floh er aus der Provinz.


32. Rede vor dem Senat


[32] His rebus confectis Caesar, ut reliquum tempus a labore intermitteretur, milites in proxima municipia deducit; ipse ad urbem proficiscitur. Coacto senatu iniurias inimicorum commemorat. Docet se nullum extraordinarium honorem appetisse, sed exspectato legitimo tempore consulatus eo fuisse contentum, quod omnibus civibus pateret. Latum ab X tribunis plebis contradicentibus inimicis, Catone vero acerrime repugnante et pristina consuetudine dicendi mora dies extrahente, ut sui ratio absentis haberetur, ipso consule Pompeio ; qui si improbasset, cur ferri passus esset? Si probasset, cur se uti populi beneficio prohibuisset? Patientiam proponit suam, cum de exercitibus dimittendis ultro postulavisset, in quo iacturam dignitatis atque honoris ipse facturus esset. Acerbitatem inimicorum docet, qui, quod ab altero postularent, in se recusarent, atque omnia permisceri mallent, quam imperium exercitusque dimittere. Iniuriam in eripiendis legionibus praedicat, crudelitatem et insolentiam in circumscribendis tribunis plebis; condiciones a se latas, expetita colloquia et denegata commemorat. Pro quibus rebus hortatur ac postulat, [I]ut rem publicam suscipiant atque una secum administrent. Sin timore defugiant, illis se oneri non futurum et per se rem publicam administraturum. Legatos ad Pompeium de compositione mitti oportere, neque se reformidare, quod in senatu Pompeius paulo ante dixisset, ad quos legati mitterentur, his auctoritatem attribui timoremque eorum, qui mitterent, significari: Tenuis atque infirmi haec animi videri. Se vero, ut operibus anteire studuerit, sic iustitia et aequitate velle superare.



[32] Nach Erledigung dieser Angelegenheiten führte Caesar seine Soldaten in das nächste Munizipium, um die übrige Zeit zu rasten; er selbst brach nach Rom auf. Nachdem der Senat versammelt worden war, legte er die Unrechte seiner Feinde dar. Er belehrte sie, dass er keine außerordentliche Ehrenstelle angestrebt habe, sondern, indem er auf den rechtmäßigen Zeitpunkt für ein [zweites] Konsulat gewartet habe, sich damit begnügt habe, was allen Bürgern offenstehe. Von den zehn Volkstribunen sei – unter Gegenrede der Feinde, bei äußerst massivem Widerstand Catos, der auf seine gewöhnliche Art, mit der durch sein Reden bewirkten Verzögerung, die Tage dahinzog – der Gesetzesantrag gemacht worden, dass Rücksicht auf ihn trotz seiner Abwesenheit genommen werden solle, und das sogar im Konsulat des Pompeius; wenn dieser den Gesetzesantrag missbilligt habe, warum habe er dann zugelassen, dass er durchgesetzt werde? Wenn er ihn gebilligt habe, warum habe er ihn [Caesar] dann davon abgehalten die Gunst des Volkes zu nutzen? Er führte seine Genügsamkeit an, da er aus eigenen Stücken gefordert habe, die Heere zu entlassen, wobei er selbst im Begriff gewesen sei, einen Verlust seines Einflusses und seiner Ehre zu bewirken. Er unterrichtete sie von der Bitterkeit der Feinde, die bei ihm verweigern, was sie von einem anderen fordern würden, und lieber alles in Unordnung bringen würden, als auf ihre Befehlsgewalt und ihre Heere zu verzichten. Er erklärte ausdrücklich ihr Unrecht in der Wegnahme seiner Legionen, ihre Grausamkeit und ihre Unverschämtheit in der Einschränkung der Volkstribunen; er erwähnte die von ihm gestellten Bedingungen, die geforderten und ausdrücklich versagten Gespräche. Für diese Umstände forderte er dringend, dass sie die Verwaltung des Staates zusammen mit ihm auf sich nähmen. Wenn sie sich aber aus Furcht der Sache entzögen, werde er jenen nicht zur Last sein und den Staat selbst verwalten. Legaten müssten zu Pompeius um einer Versöhnung willen geschickt werden, und er schrecke nicht davor zurück, was Pompeius kurz zuvor im Senat gesagt hatte, nämlich dass denjenigen, zu denen Legaten gesendet würden, Ansehen verliehen werde und sich dadurch die Furcht der Entsender äußere: Dies scheint von niederem und schwachem Geiste zu zeugen. Er selbst aber wolle in Bezug auf Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetze so überragen, wie er sich bemüht habe, mit Taten zu glänzen.


71. Caesar im Zwiespalt mit seinen Generälen


[71] Erat occasio bene gerendae rei. Neque vero id Caesarem fugiebat, tanto sub oculis accepto detrimento, perterritum exercitum sustinere non posse, praesertim circumdatum undique equitatu, cum in loco aequo atque aperto confligeretur; idque ex omnibus partibus ab eo flagitabatur. Concurrebant legati, centuriones tribunique militum: [I]ne dubitaret proelium committere; omnium esse militum paratissimos animos. Afranianos contra multis rebus sui timoris signa misisse, quod suis non subvenissent, quod de colle non decederent, quod vix equitum incursus sustinerent collatisque in unum locum signis conferti neque ordines neque signa servarent. Quod si iniquitatem loci timeret, datum iri tamen aliquo loco pugnandi facultatem, quod certe inde decedendum esset Afranio nec sine aqua permanere posset.



[71] Es gab eine Möglichkeit, die Sache gut auszuführen. Und Caesar entging dies in der Tat nicht, dass ein Heer, das aufgrund einer so großen vor ihren Augen erlittenen Niederlage gewaltig eingeschüchtert worden war, nicht standhalten könnte, zumal es von allen Seiten von Reiterei umgeben, wenn auf einem ebenen und offenen Gelände gekämpft würde; und dies wurde von allen Seiten von ihm gefordert. Die Legaten, die Zenturionen und Militärtribunen kamen zusammen: Er solle nicht zaudern die Schlacht zu beginnen; die Herzen aller Soldaten seien äußerst bereit. Die Soldaten des Afranius dagegen hätten durch viele Vorfälle Beweise ihrer Furcht gegeben, nämlich dass sie den Ihrigen nicht zur Hilfe gekommen seien, dass sie nicht von der Erhebung heruntermarschiert seien, dass sie kaum den Angriffen der Reiter standgehalten hätten und – weil die Feldzeichen auf einen Platz zusammengezogen worden seien – dicht gedrängt weder Reih‘ noch Glied hielten. Wenn er nun die Unebenheit des Ortes fürchte, werde ihm dennoch die Möglichkeit eröffnet werden, an einer anderen Stelle zu kämpfen, weil Afranius gewiss von dort herabmarschieren müsse und nicht ohne Wasser ausdauern könne.


72. Die Taktik des Feldherrn


[72] Caesar in eam spem venerat se sine pugna et sine vulnere suorum rem conficere posse, quod re frumentaria adversarios interclusisset. Cur etiam secundo proelio aliquos ex suis amitteret? cur vulnerari pateretur optime de se meritos milites? cur denique fortunam periclitaretur? praesertim cum non minus esset imperatoris consilio superare quam gladio. Movebatur etiam misericordia civium, quos interficiendos videbat; quibus salvis atque incolumibus rem obtinere malebat. Hoc consilium Caesaris plerisque non probabatur. Milites vero palam inter se loquebantur, quoniam talis occasio victoriae dimitteretur, etiam cum vellet Caesar, sese non esse pugnaturos. Ille in sua sententia perseverat et paulum ex eo loco digreditur, ut timorem adversariis minuat. Petreius atque Afranius oblata facultate in castra sese referunt. Caesar praesidiis in montibus dispositis omni ad Hiberum intercluso itinere, quam proxime potest hostium castris, castra communit.



[72] Caesar war zu der Hoffnung berechtigt worden, dass er ohne Kampf und ohne einen Verlust seiner Männer die Sache beenden könne, weil er die Feinde von der Getreideversorgung abgeschnitten habe. Warum sollte er – auch bei erfolgreicher Schlacht – irgendwelche von seinen Männern aufgeben? Warum sollte er zulassen, dass seine Soldaten, die sich derart gut um ihn verdient gemacht hätten, verwundet würden? Warum schließlich sollte er ein Risiko eingehen? Zumal weil es eines Feldherren Aufgabe ist, durch Taktik ebenso wie durch das Schwert zu siegen. Auch wurde er durch das Elend der Mitbürger bewegt, die – wie er sah – getötet werden müssten. Er wollte die Sachen gewinnen, wobei diese wohlbehalten und unversehrt bleiben sollten. Diese Taktik Caesars wurde von den meisten nicht für gut befunden. Die Soldaten aber sprachen offen untereinander, [I]dass sie, weil man sich eine solche Gelegenheit des Sieges entgehen lasse, nicht kämpfen würden, auch wenn Caesar es wolle. Jener blieb bei seiner Meinung und marschierte ein wenig von dem Ort weg, um den Feinden die Furcht zu mindern. Petreius und Afranius zogen sich, nachdem ihnen diese Möglichkeit eröffnet worden war, in ihr Lager zurück. Caesar, nachdem er Wachtposten in den Bergen aufgestellt hatte und jeden Weg zum Hiberus abgeschnitten hatte, verschanzte sein Lager, dem Lager der Feinde so nah wie möglich.



Anmerkungen und Hilfen


[7]

cuius ipse honori et dignitati semper faverit adiutorque fuerit : obliquer und konzessiv gefärbter Nebensatz.

exemplum : das Muster, das Beispiel, nach dem vorzugehen ist, daher exemplum als „Verfahren, Vorgehensweise“.

ut […] votaretur atque opprimeretur : ut-explicativum, auf exemplum bezogen.

secessio : damit ist die Trennung oder der Abfall, das politische Sich-Absondern des Volkes gemeint.

cuius imperatoris : das Bezugswort des Relativsatzes „imperatoris“ (noch zu eius gehörig) ist mit in diesen hineingerutscht.

imperatoris sui tribunorumque plebis iniurias defendere : eigentl. „die Unrechte gegen ihren Feldherrn und die Volkstribunen (Genitivi obiectivi) abwehren“.


[8]

privati officii mandata : Genitivus qualitatis

velle Pompeium se Caesari purgatum : Wenn die Stelle nur soviel hätten heißen sollen wie „Pompeius wollte sich bei Caesar entschuldigen”, hätte der Satz auch – wie üblich – mit einem Objektsinfinitiv konstruiert werden können: velle Pompeium se Caesari purgare. Die Wahl der AcP-Konstruktion bzw. des PPP, das etwas Vergangenes ausdrückt, stellt das Geschehen als ein für allemal abgeschlossen hin: Pompeius wünscht sich dem Caesar als entschuldigt / dass er dem Caesar als entschuldigt gelte. Der Sinn ist also, dass die ganze Sache so schnell wie möglich aus der Welt geräumt werden soll : Pompeius will sich nicht nur entschuldigen, sondern bei Caesar schon als entschuldigt gelten. Die Sache soll abgeschlossen sein.

rei publicae dimittere : Dativus commodi, „für das Gemeinwesen /dem Gemeinwesen zuliebe“

ut […] rei publicae noceat : ut-consecutivum

eadem…cum Caesare agit : eadem ist Akk. Pl. Neutr.


[9]

idoneos nactus homines, per quos […] perferrentur : finaler Relativsatz i. S. v. ut per eos […] perferrentur „(geeignet), damit durch diese […] vermittelt würde”

quoniam […] detulerint : coniunctivus obliquus

possint : coniunctivus potentialis (auch als obliquus zu erklären)

Sibi semper primam… : Dativus commodi

cuius absentis rationem haberi proximis comitiis populus iussisset : durch einen AcI ausgelöste relativische Verschränkung, zusätzlich erschwert durch cuius als Genitivus obiectivus und das Partizip absentis. Der Relativsatz ist womöglich konzessiv gefärbt; der Konjunktiv muss aber ohnehin schon aufgrund der indirekten Rede stehen. Sinn: quamquam populus rationem Caesaris absentis proximis comitiis haberi iussisset.

Quonam haec omnia nisi ad suam perniciem pertinere? : rhetorische Fragesätze werden in der oratio obliqua wie Aussagesätze behandelt; daher der Infinitiv.

quo facilius… : finaler Relativsatz [ut eo facilius]

fore, uti per colloquia omnes controversiae componantur. : schwerfälligere Ersatzmöglichkeit des Infinitiv Futur Passiv als durch das Supinum I + ire : (dixit) omnes controversiae per colloquia compositum iri.


[10]

quoad fides esset data : Konjunktiv Plusquamperfekt als Futur II-Ersatz; fidem dare heißt nicht nur ein „Versprechen geben“, sondern auch „Glaubwürdigkeit verschaffen“ respektive „bestätigen“.


[11]

ipsum et provincias et legiones alienas tenere… : dieser und die nachfolgenden Sätze sind nicht von postulare abhängig, sondern von condicio erat, auf welches AcIs bzw. Subjektsinfinitive folgen. Die Ungerechtigkeit der Bedingungen drückt Caesar antithetisch aus: Er stellt dem, was ihm verboten, das, was Pompeius erlaubt werde, gegenüber.

ante quem diem : „vor welchem Tag“, das meint: „bis zu welchem Tag (etwas geschehen sein muss)“ // „vor Ablauf welchen Tages“.

profectus esset : Konj. Plusquamperfekt als Futur II-Ersatz. Das gesamte Konditionalgefüge, das in den Konsekutiv eingebettet ist, muss nachzeitig zur übergeordneten Handlung sein.

nulla mendacii religione obstrictus : eig. „in keine Sünde einer Lüge verwickelt“

…magnam pacis desperationem afferebat : … „schaffte eine große Un-Hoffnung auf Frieden”


[22]

quod per eum in collegium pontificum venerat, quod provinciam Hispaniam ex praetura habuerat, quod in petitione consulatus erat sublevatus. : quod-explicativum (zu beneficia)

quod de sua salute impetraverit : Subjektsatz, faktisches quod

ut suae vitae durius consulere cogantur : absoluter Konsekutivsatz; die Folge, von der gesprochen wird, bezieht sich auf die Gegenwart des Sprechers Lentulus. Der Ausdruck suae vitae durius consulere („auf ziemlich schroffe Weise für sein Leben sorgen“) ist eine feste Wendung.


[23]

ordinis senatorii : Genitivus qualitatis

HS LX : H steht für eine durchgestrichene römische zwei und S für „semi“, also zweieinhalb. In diesem Sinne kürzt HS die Sesterze ab, die den Wert von zweieinhalb As hatte. Da es üblich war bei größeren Summen das „centena milia“ auszulassen, bedeutet HS LX also aufgelöst: sexagies (LX) [centena milia] sestertiorum (HS) = 60x 100.000 an Sesterzen = 6.000.000 Sesterzen, sechs Millionen Sesterzen.

IIII : die quattuorviri waren die vier obersten Beamten in den Munizipien.

in vita hominum quam in pecunia : Ablativi limitationis


[29]

insequendi sui : das Reflexivpronomen steht aufgrund des Rückbezugs zum Subjekt (Pompeius), unabhängig davon, dass das logische Subjekt der Gerundiv-Konstruktion Caesar ist und somit sui im Deutschen mit einem Personalpronomen wiederzugeben ist.

Relinquebatur, ut ex longinquioribus regionibus Galliae Picenique et a freto naves essent exspectandae. : ut-pseudo-consecutivum; die Stelle heißt eigentlich so viel wie: es blieb übrig, dass Schiffe zu erhoffen waren …

duas Hispanias : das sind Hispania ulterior und citerior.


[30]

nondum profecto ex Italia : profecto (Valerio) ist ein Ablativus Absolutus, von dem nondum und ex Italia als weitere Satzglieder abhängen.

qui […] suscepisset et […] confirmavisset : Relativsatz mit kausalem Nebensinn; stände allerdings aufgrund der indirekten Rede ohnehin im Konjunktiv.

ab se…sibi : aufgrund der indirekten Rede stehen die Reflexiva bei Rückbezug auf das Subjekt, von dessen Meinung/Aussage hier die Rede ist. Das gilt auch für sibi, das hier logischerweise Dativ Plural sein muss, da das Subjekt [Cato] ein Teil von den „sibi“ ist.


[32]

ut reliquum tempus a labore intermitteretur : eig. „damit die übrige Zeit von Arbeit freigelassen würde”.

exspectato legitimo tempore : Ablativus Absolutus; nicht immer muss ein PPP Vorzeitigkeit ausdrücken bzw. sich diese Vorzeitigkeit in der deutschen Übersetzung niederschlagen, da es für unser Sprachverständnis unsinnig wäre.

Catone vero acerrime repugnante et pristina consuetudine dicendi mora dies extrahente : Cato ist für beide Ablativi Absoluti das logische Subjekt, pristina consuetudine Ablativus modi – denkbar wäre auch dies als logisches Subjekt des zweiten Abl. Abs. zu begreifen; dicendi ist nicht als Genitivus obiectivus (durch Verzögerung seines Redens) aufzufassen – denn dann hieße es, Cato würde seine Rede verzögern, aufschieben – sondern als Genitivus subiectivus: Die Verzögerung geht von seiner Rede aus, wird durch sein Reden bewirkt. Die Textstelle bezieht sich auf Catos gewöhnliche Vorgehensweise (pristina consuetudine), schlichtweg solange zu reden, bis der Tag vorbei ist, sodass man zu keinem gültigen Resultat kommen konnte.

ut sui ratio absentis haberetur : sui (ferner durch absentis erläutert) ist Genitivus obiectivus zu ratio. Das scheint auf den ersten Blick seltsam, lässt sich aber leicht durch die indirekte Rede erklären, bezieht sich demnach auf Caesar. Die tribuni plebis stellten also den Gesetzesantrag, dass „Rücksicht“ (ratio) auf ihn als abwesenden genommen werden solle, womit Caesars Kandidatur um das Konsulat in seiner Abwesenheit (von Rom) gemeint ist.

legem ferre : kann sowohl „ein Gesetz vorschlagen“ als auch (wie legem perferre) „ein Gesetz durchsetzen“ bedeuten.

de exercitibus dimittendis : Ablativus limitationis

facturus esset : PFA als Prädikatsnomen (Vgl. Coniugatio periphrastica)

Tenuis atque infirmi haec animi videri : Genitivus possessivus (tenuis atque infirmi animi) in übertragener Bedeutung, in Abhängigkeit von unpersönlichem videtur.


[71]

neque vero : nicht adversativ, sondern bekräftigend.

sub oculis : damit sind die Augen der Soldaten des Heeres des Afranius gemeint.

perterritum exercitum sustinere non posse, praesertim circumdatum undique equitatu, cum in loco aequo atque aperto confligeretur. : der Konjunktiv im cum-Satz ist ein obliquer. Der cum-Satz dient hier zur Zeitbestimmung (cum-temporale), beinhaltet allerdings, wie auch der AcI im Vordersatz, nur eine Annahme und kein Faktum, weswegen im Deutschen der Irrealis folgen muss.

contra : adverbiell „im Gegenteil“, um die vorhergehende Aussage mit der diesigen zu kontrastieren.

quod suis non subvenissent, quod […], quod […] : die multis rebus erklärend, daher sind es quod-explicativa.


[72]

collatisque in unum locum signis conferti neque ordines neque signa servarent : Dass das Partizip collatis kausal zu übersetzen ist, wird durch das conferti impliziert. Der Sinn ist: Eben weil die Soldaten des Afranius ihre Feldzeichen – womit metaphorisch oder als pars pro toto natürlich die einzelnen kleineren Bataillone (insbesondere die Manipel) eines Heeres gemeint sind, die jeweils ihre eigenen signa trugen – auf einen Platz vereinigt hätten, seien sie nun zusammengedrängt und könnten dadurch weder Ordnung noch die Manipel bewahren (= weder Reih‘ noch Glied halten).

Cur […] amitteret? Cur vulnerari pateretur […]? […] periclitaretur? : Die obliquen Konjunktive gehen nicht auf „gewöhnliche“ Fragen in direkter Rede zurück, sondern auf dubitative bzw. deliberative.
In diesem Sinne geht beispielsweise die erste Frage nicht auf Cur amitto? „Warum gebe ich auf?“ (indirekt: Caesar interrogabat, cur amitteret. = Caesar fragte, warum er aufgebe.) zurück, sondern auf Cur amittam? „Warum soll ich aufgeben?“ (indirekt: Caesar interrogabat, cur amitteret. = Caesar fragte, warum er aufgeben soll(t)e.). Da beide Typen in indirekter Rede – wie ersichtlich – gleich aussehen, da sie als indirekte Fragen behandelt werden und somit der c.t. konjunktivischer Nebensätze folgen, ist ihre „Herkunft“ verschleiert und es muss kontextual entschieden werden, was vorliegt.

meritos : mereri de aliqua re / de aliquo „sich um etwas / um jemanden verdient machen“

fortunam periclitaretur : vielleicht etwa unser „das Schicksal / sein Glück auf die Probe stellen“ oder wie in der Übersetzung „das Schicksal / Glück versuchen ~ ein Risiko eingehen“.

quos interficiendos videbat : esse ist zu ergänzen; im Deutschen mit dem Irrealis zu übersetzen, da es eine Annahme ist, im Lateinischen dagegen der Indikativ, weil die tatsächliche Notwendigkeit hervorgehoben wird. [Vgl. 1, 71 : confligeretur]

quibus salvis atque incolumibus : nominaler Ablativus Absolutus „mit diesen (Mitbürgern) als wohlbehaltenen und unversehrten”. Die Integration dieser Konstruktion in den Satz erfordert eine etwas freiere Übersetzung.

occasio victoriae : Genitivus obiectivus; „eine Gelegenheit zur Herbeiführung des Sieges“

etiam cum : cum-concessivum

adversariis : Dativus commodi

quam proxime : quam + Superlativ „möglichst …“ (mit und ohne posse)





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