Prädikativum und Prädikatsnomen


Das Prädikativum ist eine nominale Ergänzung, die sich zugleich auf das Prädikat und das Subjekt bzw. Objekt eines Satzes bezieht.
Es beschreibt den Zustand einer Person oder Sache in Abhängigkeit von der Verbalhandlung des Satzes.

Ein Prädikativum ist weder ein Attribut, noch ein Adverbial, noch ein Prädikatsnomen.


Das hört sich ziemlich kompliziert an und soll deshalb an folgendem Beispiel erläutert werden:

Edelweiß wird selten gepflückt.
Adverbial

Das seltene Edelweiß darf man nicht pflücken.
Attribut

Das Edelweiß ist selten.
Prädikatsnomen

Der Wanderer pflückt das Edelweiß unbeschadet ab.
Prädikativum



Worin unterscheiden sich nun die vier Beispiele?

Am einfachsten zu erklären ist das Adverbial. Das selten ist hier keine Eigenschaft des Edelweiß, sondern es beschreibt lediglich die Verbalhandlung genauer: selten etwas pflücken.


Sowohl Attribut als auch Prädikatsnomen geben dauerhafte Eigenschaften an, die aus Sicht des Sprechers über diesen Satz hinaus gelten. In beiden Fällen wird dem Edelweiß die dauerhafte Eigenschaft "selten" zugeteilt.

Attribute stehen immer mit ihrem Bezugswort zusammen und sind von ihm nicht trennbar. In diesem Fall nimmt ein Adjektiv die Funktion eines Attributs ein:
der tapfere Mann, die grünen Blätter, das seltene Edelweiß


Manche Verben benötigen ein weiteres Wort, ein sog. Prädikatsnomen, um zu einem vollständigen Prädikat zu werden. Ohne dieses ist der Satz nicht vollständig.
Beispiele:
Er wird ... (ja was wird er denn? hier fehlt etwas: z. B. "Gärtner")
Sie hält ihn für ... (für was denn? hier fehlt ebenfalls etwas: z. B. "dumm")


Beim Prädikativum ist ersichtlich, dass sich "unbeschadet" zwar auf das Edelweiß bezieht und dessen Zustand beschreibt, aber nur in Verbindung mit der Verbalhandlung des Satzes Gültigkeit hat. Denn es sind ja schließlich nicht alle Edelweiße unbeschadet, sondern nur ebendies, welches der Wanderer abpflückt. Unbeschadet kann deswegen weder Attribut noch Prädikatsnomen sein.

Hinweis:
Um zu prüfen, ob es sich bei einer zu bestimmenden Form um ein Prädikativum handelt, kann eine Behelfskonstruktion mit "als" angewandt werden: Rufus holt das Hemd sauber (als sauberes) aus dem Waschbecken heraus.



Die Unterscheidung zwischen Prädikatsnomen und Prädikativum findet sich oft nur noch in älteren deutschen Grammatiken oder Grammatiken alter Sprachen. In der modernen Linguistik fließen beide Begriffe im Prädikativum zusammen.







Das Prädikativum im Lateinischen



Während das Deutsche für das wirkliche Prädikativum (ohne die Behelfskonstruktion mit "als") eine unflektierte Form verwendet, tritt das Prädikativum im Lateinischen in Kongruenz zu seinem Bezugswort. Es ist also morphologisch (dem Aussehen nach) nicht von einem attributiv gebrauchten Adjektiv bzw. appositiv gebrauchten Substantiv zu unterscheiden:
Demnach besteht Verwechslungsgefahr! Oft entscheidet das Verständnis des Übersetzers darüber, ob ein prädikativer oder attributiver Gebrauch vorliegt.

Vulpes laetae silvas perambulant.prädikativ:
attributiv:
Die Füchse durchwandern fröhlich die Wälder.
Fröhliche Füchse durchwandern die Wälder.

Im ersten Beispiel gibt laetae den Gemütszustand der Füchse an, während sie durch den Wald spazieren. Dieser Zustand ist unmittelbar an die Verbalhandlung gekoppelt und hat nur innerhalb dieser Gültigkeit. Auch im zweiten Beispiel bezeichnet laetae den Zustand der Füchse, nun allerdings nicht im Verhältnis zur Verbalhandlung. Die Fröhlichkeit der Füchse könnte auch schon vorher bestanden haben oder wird es weiterhin tun. Sie ist nicht an die Verbalhandlung gebunden.


Ein weiteres Beispiel:

Imperator Caesar Galliam expugnavit.prädikativ:
appositiv:
Caesar eroberte als Feldherr Gallien.
Der Feldherr Caesar eroberte Gallien.



Das Lateinische bringt eine weitere Schwierigkeit mit sich: Es verwendet auch dort teilweise das Prädikativum, wo wir im Deutschen zu einer adverbialen Bestimmung greifen würden.

Germani veniunt rari.Die Germanen kommen selten.
Summus magistratus annuus creatur.Der höchste Beamte wird jährlich [~als jährlicher] gewählt.



Anmkerkungen: Die Grenzen zwischen Prädikativa und Adverbialen Bestimmungen sind im Deutschen teilweise schwer zu erkennen. Eine Verwechslung von adverbialen Bestimmungen mit Prädikativa besteht im Lateinischen nicht, da das Adverb eigene Formen besitzt.











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