Vergil - Ecloge II - Alexis


Ecloge II



Alexis



Der Hirte Corydon hat sich unsterblich in den schönen Alexis verliebt. Dieser ist allerdings ein Sklave des Iollas, noch dazu dessen "Liebling" - rein aus gesellschaftlicher Sicht wäre Corydon der Weg zu Alexis also schon verbaut.
Corydon versucht einerseits den Alexis zu überzeugen, indem er ihm all die Vorzüge des Hirtenlebens aufzählt und Geschenke verspricht, andererseits resigniert er aber und versinkt in elendigem Gejammer darüber, dass Alexis seine Liebe nicht erwidert.









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Poeta:
Formosum pastor Corydon ardebat Alexin,
delicias domini, nec, quid speraret, habebat.
tantum inter densas, umbrosa cacumina, fagos
adsidue veniebat. ibi haec incondita solus
montibus et silvis studio iactabat inani:


Corydon:
'O crudelis Alexi, nihil mea carmina curas?
nil nostri miserere? mori me denique cogis?
nunc etiam pecudes umbras et frigora captant,
nunc virides etiam occultant spineta lacertos,
Thestylis et rapido fessis messoribus aestu
alia serpyllumque herbas contundit olentis.
at mecum raucis, tua dum vestigia lustro,
sole sub ardenti resonant arbusta cicadis.
nonne fuit satius tristis Amaryllidos iras
atque superba pati fastidia? nonne Menalcan,
quamvis ille niger, quamvis tu candidus esses?
o formose puer, nimium ne crede colori;
alba ligustra cadunt, vaccinia nigra leguntur.

Despectus tibi sum nec, qui sim, quaeris, Alexi,
quam dives pecoris, nivei quam lactis abundans.
mille meae Siculis errant in montibus agnae:
lac mihi non aestate novum, non frigore defit.
canto, quae solitus, si quando armenta vocabat,
Amphion Dircaeus in Actaeo Aracyntho.
nec sum adeo informis; nuper me in litore vidi,
cum placidum ventis staret mare. non ego Daphnin
iudice te metuam, si numquam fallit imago.

O tantum libeat mecum tibi sordida rura
atque humilis habitare casas et figere cervos
haedorumque gregem viridi compellere hibisco!
mecum una in silvis imitabere Pana canendo.
Pan primum calamos cera coniungere pluris
instituit, Pan curat ovis oviumque magistros;
nec te paeniteat calamo trivisse labellum.
haec eadem ut sciret, quid non faciebat Amyntas?
est mihi disparibus septem compacta cicutis
fistula, Damoetas dono mihi quam dedit olim
et dixit moriens: 'te nunc habet ista secundum';
dixit Damoetas, invidit stultus Amyntas.
praeterea duo—nec tuta mihi valle reperti—
capreoli sparsis etiam nunc pellibus albo,
bina die siccant ovis ubera; quos tibi servo.
iam pridem a me illos abducere Thestylis orat;
et faciet, quoniam sordent tibi munera nostra.

Huc ades, o formose puer, tibi lilia plenis
ecce ferunt Nymphae calathis; tibi candida Nais,
pallentis violas et summa papavera carpens
narcissum et florem iungit bene olentis anethi;
tum casia atque aliis intexens suavibus herbis
mollia luteola pingit vaccinia caltha.
ipse ego cana legam tenera lanugine mala
castaneasque nuces, mea quas Amaryllis amabat;
addam cerea pruna—honos erit huic quoque pomo—
et vos, o lauri, carpam et te, proxime myrte,
sic positae quoniam suavis miscetis odores.


Poeta:
Rusticus es, Corydon; nec munera curat Alexis
nec, si muneribus certes, concedat Iollas.


Corydon:
heu heu, quid volui misero mihi? floribus Austrum
perditus et liquidis inmissi fontibus apros.


Poeta:
Quem fugis, a, demens? habitarunt di quoque silvas
Dardaniusque Paris. Pallas, quas condidit, arces
ipsa colat; nobis placeant ante omnia silvae.
torva leaena lupum sequitur, lupus ipse capellam,
florentem cytisum sequitur lasciva capella,
te Corydon, o Alexi; trahit sua quemque voluptas.
Aspice, aratra iugo referunt suspensa iuvenci
et sol crescentis decedens duplicat umbras.


Corydon:
me tamen urit amor; quis enim modus adsit amori?


Poeta:
a, Corydon, Corydon, quae te dementia cepit!
semiputata tibi frondosa vitis in ulmo.
quin tu aliquid saltem potius, quorum indiget usus,
viminibus mollique paras detexere iunco?
invenies alium, si te hic fastidit, Alexin.'



Poeta:
Der Hirte Corydon brannte für den wohlgestalteten Alexis, den Liebling seines Herren und er hatte nichts, was er erhoffte.
Nur zwischen die dichten Buchen, schattenreiche Wipfel, kam er beständig. Dort warf er einsam den Bergen und Wäldern mit vergeblicher Bemühung dies Kunstlose vor:


Corydon:
O grausamer Alexis, liegt dir nichts an meinen Gedichten?
Erbarmst du dich nicht meiner? Zwingst du mich schließlich zu sterben?
Jetzt schnappen auch die Schafe nach Schatten und Kühle,
jetzt verbergen auch grüne Dornhecken Eidechsen,
und Thestylis zerstößt für die von versengender Hitze erschöpften Schnitter Knoblauch und Thymian, wohlriechende Pflanzen.
Aber mit mir, während ich deinen Spuren nachwandere, hallen unter der brennenden Sonne Gebüsche die heiseren Zikaden wider.
Wäre es nicht besser gewesen, den traurigen Zorn und den schnöden Stolz der Amaryllis zuzulassen?
Oder den Menalca, so schwarz er auch war, so weiß du auch warst?
O, schöner Junge, vertraue nicht zu sehr der Farbe!
Weiß fällt der Liguster herab, schwarz pflückt man die Hyazinthe.

Unbeachtet von dir bin ich und du fragst nicht, Alexis, wer ich bin, wie reich an Vieh ich bin, wie überflutend reich an weißer Milch ich bin.
Meine Tausend Schafe weiden in den sizilischen Bergen:
Mir fehlt frische Milch nicht im Sommer, nicht im Winter.
Ich singe, was Amphion der Dirkäer auf dem attischen Arakynthus zu singen pflegte, wenn er irgendwann seine Rinder herbeirief.
Auch bin ich nicht so hässlich. Neulich hab ich mich am Strand gesehen, als das Meer friedlich bezugs der Winde stand. Obgleich du der Richter bist, werd ich nicht mal den Daphnis fürchten, sofern ein Spiegelbild niemals täuscht.

Möge es dir nur gefallen, mit mir schäbige Felder und unedle Hütten zu bewohnen, Hirsche zu schießen und mit grünem Eibisch meine Herde zusammenzutreiben!
Wirst zusammen mit mir nachahmen den Pan im Singen!
Pan lehrte zum ersten Mal, mehrere Halme mit Wachs zu verbinden, Pan kümmert sich um die Schafe und deren Hüter.
Und möge es dich nicht verdrießen, am Rohr das Lippchen zu reiben.
Um ebendies zu können, was machte Amyntas nicht?
Eine Hirtenflöte habe ich, zusammengefügt aus sieben ungleichen Rohren des Schierlings, die mir Damoetas als Geschenk einst gab und im Sterben sagte: „Diese besitzt dich nun als den zweiten.“
Damoetas sagte es, Amyntas missgönnte es töricht.
Überdies saugen zwei Gemsen – entdeckt von mir in unsicherem Tale – mit immer noch weiß gesprenkelten Fellen an einem Tag je zwei Euter eines Schafes aus. Für dich bewahre ich sie auf.
Schon längst bittet Thestylis mich, jene von mir wegzuführen;
Und sie wird‘s machen, da meine Geschenke dich ja anwidern.

Komm hierher, o wohlgestalteter Junge! Siehe da: Nymphen bringen Lilien in vollen Körben für dich. Für dich blasse Violen und Mohnköpfe pflückend, verknüpft Nais weißgekleidet Narzisse und Blüte des wohl riechenden Dills.
Und dann, Zeilande mit anderen lieblichen Kräutern umflechtend, ziert sie geschmeidige Hyazinthen mit gelblicher Ringelblume.
Ich selbst werde aschgraue Quitten von zartem Flaume sammeln sowie Kastaniennüsse, die meine Amaryllis immer so liebte.
Beifügen werde ich wächserne Pflaumen – auch dieser Baumfrucht wird eine Ehre sein – und euch, O Lorbeeren, werde ich pflücken und dich, du ihr verwandte Myrte, weil ihr, so hingelagert, süße Düfte erzeugt.



Poeta:
Du bist ein Bauer, Corydon; Weder interessieren Alexis deine Geschenke noch dürfte Iollas weichen, solltest du mit Geschenken wetteifern.


Corydon:
Weh mir, was wollte ich für mich Elendigen? Ich verworfener verursachte den Südwind den Blumen und den klaren Quellen die Eber.


Poeta:
Vor wem fliehst du, ha, du Wahnsinniger? Auch die Götter bewohnte die Wälder und Paris, der Dardaner. Möge Pallas die Burgen selbst, die er gebaut hat, bewohnen. Mir gefallen vor allem die Wälder.
Grimmig verfolgt die Löwin den Wolf, der Wolf selbst die Ziege, zügellos die Ziege den blühenden Schneckenklee;
dich, O Alexis, der Corydon. Jeden leitet seine eigene Lust.
Schau, junge Stiere tragen den am Joch hängenden Pflug und untergehend verdoppelt die Sonne die wachsenden Schatten.


Corydon:
Mich versengt dennoch die Liebe; Hat die Liebe denn irgendein Ende?


Poeta:
Ach, Corydon, Corydon, welch Wahnsinn dich doch ergriffen hat!
Du hast den Rebstock an der laubigen Ulme nur halb geschnitten.
Warum schickst du dich nicht lieber an, wenigstens irgendetwas aus Ruten, die deine Tätigkeit nötig hat, und aus weicher Binse zu flechten?
Du wirst einen anderen Alexis finden, wenn dich dieser hier verschmäht.


Hilfen zur Übersetzung

(11) alia : ist der Akk. Pl. Von alium (Knoblauch). Die Satzstruktur ist zudem arg auseinander. Das et gehört mit zur Aufzählung der Pflanzen und ist völlig fehl an seinem Platze.
(35) das ut müsste am Anfang des Satzes stehen und leitet einen Finalsatz ein, der von dem nachgeschobenen Fragesatz abhängt.
(41) etiam nunc : auch jetzt noch, immer noch
(43) iam pridem a me illos abducere Thestylis orat : es fehlt das Akk.-Objekt „me“ zu orat, illos ist das Objekt zu abducere und kann logisch nicht das Subjekt eines A.c.I. sein.
(54) proxime myrte : das proxime ist keinesfalls als Adverb anzusehen. Corydon spricht hier direkt die Myrte an, zu der proximus ein Attribut ist, das ebenfalls im Vokativ steht. Auch metrisch würde ein Adverb auf langem –e nicht passen.
(55) sic : das sic greift das Pflücken von Myrte und Lorbeer auf. Wenn die beiden vereint würden, würde es aus Sicht Corydons wohl riechen.
(66) suspensus : gehängt, hängend
(68) quis : eigentlich aliquis. Das –ali fehlt in Fragen.
(71) indigere : steht mit dem Genitiv (einer Sache bedürfen, sie nötig haben)



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