Vergil - Ecloge VII - Meliboeus


Ecloge VII



Meliboeus



Der Hirte Meliboeus erzählt, wie er auf der Suche nach einer verlorenen Ziege auf zwei andere Hirten trifft: Und zwar auf den Ziegenhirt Corydon und den Schafhirt Thyrsis. Zwischen Corydon und Thyrsis bahnte sich ein Wettstreit im Wechselgesang an. Daphnis, der bereits als Schiedrichter bei diesen saß, lud Meliboeus ein, sich dazuzugesellen. Den Wettsreit wollte Meliboeus keineswegs verpassen, weshalb er seine Arbeit aufschob und zuhörte. Nach jeweils sechs Partien trägt Corydon den Sieg davon.









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Meliboeus:
Forte sub arguta consederat ilice Daphnis,
compulerantque greges Corydon et Thyrsis in unum,
Thyrsis ovis, Corydon distentas lacte capellas.
Ambo florentes aetatibus, Arcades ambo,
et cantare pares et repondere parati.
Huc mihi, dum teneras defendo a frigore myrtos,
vir gregis ipse caper deerraverat; atque ego Daphnim
adspicio. Ille ubi me contra videt: "Ocius" inquit
"huc ades, o Meliboee; caper tibi salvus et haedi,
et, si quid cessare potes, requiesce sub umbra.
Huc ipsi potum venient per prata iuvenci;
hic viridis tenera praetexit harundine ripas
Mincius, eque sacra resonant examina quercu."
Quid facerem? Neque ego Alcippen, nec Phyllida habebam,
depulsos a lacte domi quae clauderet agnos,
et certamen erat, Corydon cum Thyrdide, magnum.
Posthabui tamen illorum mea seria ludo.
Alternis igitur contendere versibus ambo
coepere; alternos Musae meminisse volebant.
Hos Corydon, illos referebat in ordine Thyrsis.




Corydon:
Nymphae, noster amor, Libethrides, aut mihi carmen,
quale meo Codro, concedite (proxima Phoebi
versibus ille facit), aut, si non possumus omnes,
hic arguta sacra pendebit fistula pinu.



Thyrsis:
Pastores, hedera nascentem ornate poetam,
Arcades, invidia rumpantur ut ilia Codro;
aut, si ultra placitum laudarit, baccare frontem
cingite, ne vati noceat mala lingua futuro.


Corydon:
Saetosi caput hoc apri tibi, Delia, parvus
et ramosa Micon vivacis cornua cervi.
Si proprium hoc fuerit, levi de marmore tota
puniceo stabis suras evincta coturno.


Thyrsis:
Sinum lactis et haec te liba, Priape, quotannis
exspectare sat est: custos es pauperis horti.
Nunc te marmoreum pro tempore fecimus; at tu,
si fetura gregem suppleverit, aureus esto.


Corydon:
Nerine Galatea, thymo mihi dulcior Hyblae,
candidior cycnis, hedera formosior alba,
cum primum pasti repetent praesepia tauri,
si qua tui Corydonis habet te cura, venito.


Thyrsis:
Immo ego Sardoniis videar tibi amarior herbis
horridior rusco, proiecta vilior alga,
si mihi non haec lux toto iam longior anno est.
Ite domum pasti, si quis pudor, ite, iuvenci.


Corydon:
Muscosi fontes, et somno mollior herba,
et quae vos rara viridis tegit arbutus umbra,
solstitium pecori defendite: iam aestas
torrida, iam lento turgent in palmite gemmae.


Thyrsis:
Hic focus et taedae pingues, hic plurimus ignis
semper, et adsidua postes fuligine nigri;
hic tantum Boreae curamus frigora, quantum
aut numerum lupus aut torrentia flumina ripas.


Corydon:
Stant et iuniperi et castaneae hirsutae;
strata iacent passim sua quaeque sub arbore poma;
omnia nunc rident: at, si formosus Alexis
montibus his abeat, videas et flumina sicca.


Thyrsis:
Aret ager; vitio moriens sitit aeris herba;
Liber pampineas invidit collibus umbras:
Phyllidis adventu nostrae nemus omne virebit,
Iuppiter et laeto descendet plurimus imbri.


Corydon:
Populus Alcidae gratissima, vitis Iaccho,
formosae myrtus Veneri, sua laurea Phoebo,
Phyllis amat corylos; illas dum Phyllis amabit,
nec myrtus vincet corylos, nec laurea Phoebi.


Thyrsis:
Fraxinus in silvis pulcherrima, pinus in hortis,
populus in fluviis, abies in montibus altis:
saepius at si me, Lycida formose, revisas,
fraxinus in silvis cedat tibi, pinus in hortis.


Meliboeus:
Haec memini, et victum frustra contendere Thyrsim.
Ex illo Corydon, Corydon, est tempore nobis.


Meliboeus:
Daphnis hatte sich zufällig unter eine säuselnde Steineiche gesetzt, Corydon und Thyrsis hatten die Herde an einen Platz zusammen- getrieben, Thyrsis die Schafe, Corydon die mit Milch prallgefüllten Ziegen.
Beide in der Blüte ihrer Jahre, beide Arkadier, sich gleich im Gesang und bereit zu antworten.
Mir hatte sich der Mann der Herde, der Geißbock selbst, hieher verlaufen, während ich die zarten Myrten vor der Kälte geschützt hatte; und ich erblickte Daphnis. Jener sagte, als er mich gegenüber sah: „Komm schnell hierher, O Meliboeus; Du hast einen gesunden Geißbock und Ziegen, und, wenn du ein bisschen rasten kannst, dann ruhe dich unter dem Schatten aus.
Selbst die jungen Stiere kommen durch die Wiesen hierher, um zu trinken.
Hier beschirmt Mincius mit zartem Halme die grünlichen Ufer, und aus der heiligen Eiche schallen die Bienen wider.“
Was hätte ich tun sollen? Weder hatte ich Alcippe noch Phyllis, um zu Hause die von der Milch entwöhnten Lämmer einzuschließen;
Und der Wettkampf „Corydon gegen Thyrsis“ war mir wichtig.
Meinen ernsten Geschäfte setzte ich dem Spiel jener hintan.
Also begannen beide im Wechselgesang zu wetteifern; Die Musen wollten, dass sie sich des Wechselgesangs besinnen.
Nach der Reihe brachte ihn Corydon, dann Thyrsis vor.


Corydon:
Ihr libethrischen Nymphen, meine Liebe, gestattet mir entweder ein Gedicht, wie durch meinen Codrus gesungen, (jener dichtet dem Phoebus äußerst Nahes, was die Verse betrifft) oder, wenn wir alle nicht können, wird meine klangreiche Hirtenflöte hier an der heiligen Pinie hängen.


Thyrsis:
Arkadische Hirten, schmückt mit Efeu den sich erhebenden Hirten, dass dem Codrus vor Neid der Magen platze;
Oder, sollte er über Gebühr loben, gürtet ihm die Stirn mit Narden, damit er dem künftigen Weissager mit seiner bösen Zunge nicht schadet.


Corydon:
Der kleine Micon opfert dir, Delia, dies Haupt eines borstigen Schweines und die vielästigen Hörner eines lebenskräftigen Hirsches.
Wenn dies typisch für dich sein sollte, wirst du gänzlich über geglättetem Marmor stehen, an den Waden umwunden mit purpurnem Kothurn.


Thyrsis:
Es ist genug, dass du jährlich ein Gefäß von Milch und diese Kuchen erwartest, Priapus: Du bist Wächter eines ärmlichen Gartens.
Gemäß der Umstände habe ich dich in Marmor gehauen; Aber du, wenn der Nachwuchs die Herde angefüllt haben wird, sollst golden sein.


Corydon:
Du nerinische Galatea, mir süßer als der Thymus Hybles, weißer als Schwäne, schöner als blasses Efeu, sollst kommen, wenn die Stiere nach dem Weiden in den Stall zurückkehren, sofern irgendeine Sorge um deinen Corydon dich hält.


Thyrsis:
Ja, möge ich dir bitterer als sardonische Kräuter scheinen, rauher als Brüsch, wertloser als niederträchtiger Seetang, wenn mir dieser Tag jetzt nicht länger als das ganze Jahr ist. Geht nach Hause nach dem Weiden, wenn euch irgendeine Scham ist, geht, ihr jungen Stiere.


Corydon:
Ihr bemoosten Quellen, du Gras, sanfter denn der Schlaf und du grünlicher Erdbeerbaum, der euch mit lückenhaftem Schatten bedeckt, stoßt weg die Sonnenwende für das Vieh: die dürre Zeit ist schon da, schon strotzen die Knospen am Rebschoß.


Thyrsis:
Hier gibt es einen Herd, harzige Fichtenbäume, immer sehr viel Feuer und Türpfosten, schwarz vor beständigem Ruß;
Wir sorgen uns hier soviel um Fröste des Nordens, wie entweder ein Wolf sich um die Zahl der Schafe oder reißende Flüsse um Ufer.


Corydon:
Sowohl Wacholdersträuche als auch stachelige Kastanien stehen hier;
Besonders Obst liegt weit und breit unter’m Baum verstreut.
Alles lacht jetzt: aber, wenn der schöne Alexis von diesen Bergen weggehen sollte, würdest du auch die Flüssen trocken sehen.


Thyrsis:
Der Acker lechzt; An Luftmangel sterbend dürstet das Gras;
Liber missgönnte den Hügeln die Schatten des Rebenlaubs:
Durch die Ankunft unserer Phyllis wird jeder Hain grünen,
auch Juppiter steigt sehr oft bei angenehmem Regen herab.


Corydon:
Die Pappel ist beim Alciden äußerst beliebt, die Weinrebe beim Dionysos, die Myrte bei der schönen Venus, sein Lorbeer beim Phoebus, Phyllis liebt die Haselstauden; Solange Phyllis jene lieben wird, wird weder die Myrte noch Phoebus‘ Lorbeer die Haselstaude besiegen.


Thyrsis:
Wunderschön ist die Esche im Wald, die Pinie im Garten, die Pappel am Fluss, die Tanne auf hohem Berge:
Aber wenn du, schöner Lycidas, mich öfter besuchen möchtest,
möge dir die Esche im Wald, die Pinie im Garten weichen.


Meliboeus:
Ich denke daran, und dass Thyrsis als Besiegter vergeblich wetteiferte.
Seit jener Zeit ist uns Corydon, Corydon.


Hilfen zur Übersetzung

(8) contra : gegenüber (Adverb)
(8) ubi : hier mit historischem Präsens „videt“
(10) (ali)quid : einigermaßen, ein bisschen (adverbial erstarrte Form)
(11) potum : Supin I des Verbs potare „trinken“
(32) evincta suras : ein sog. accusativus graecus, der in seiner Funktion dem Abl. limitationis gleichkommt; schränkt den Bereich ein, auf den sich die Verbalhandlung bezieht.
(67) revisas : Optativ
(68) cedat : ebenfalls Optativ, wobei auch eine iussivische Auffassung möglich ist.



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